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Extremsport mit Herzschrittmacher: Marcus Klausmann, Downhill-Mountainbiker. © privat

Extremsport mit Herzschrittmacher: Marcus Klausmann, Downhill-Mountainbiker. © privat

Extremsportler mit Therapiegerät

Marcus Klausmann ist Deutschlands erfolgreichster Downhill-Mountainbiker: Ein Weltmeistertitel und unzählige deutsche Meistertitel – besser geht es nicht. Die wenigsten Menschen wissen, dass er seit einigen Jahren einen Herzschrittmacher trägt. Kardionet hat den Ausnahmesportler im Schwarzwald besucht und sich mit ihm über seine – trotz Therapiegerät ungebrochene – Sportlerkarriere unterhalten. Wie meistert er die extremen Belastungen in Training und Wettkampf?

„Es dürfen alle Muskeln streiken, nur einer nicht: dein Herz!“

„Ein Profisportler kennt seinen Körper sehr genau. Ich habe gelernt, was mir gut tut, was nicht, was riskiere ich, was nicht“, so Klausmann. Das Trainingspensum ist umfangreich, mehr als 20 Stunden pro Woche trainiert ein Downhiller auf der Piste unter extremer geistiger und körperlicher Belastung. Damit das harte Training effizient ist und dem Sportler keinen Schaden zufügt, werden alle möglichen Parameter wie zum Beispiel Puls und Trittkraft überwacht. Eine regelmäßige medizinische Leistungsdiagnostik und ein Herzecho gehören für Leistungssportler selbstverständlich dazu. Die Belastbarkeit und die erbrachte Leistung können je nach Tagesform leicht schwanken, auch Stress und das Wetter haben einen Einfluss. Weicht die Trainingsleistung zu stark vom gewohnten Niveau ab, kann dies auf ein gesundheitliches Problem hinweisen, so auch bei Klausmann.

Was genau war passiert?

Sinusknotensyndrom

„Mit 33 Jahren ging dann mein maximaler Pulsschlag von einem Tag auf den anderen um zehn Schläge nach unten und mir war morgens ab und zu schwindlig“, erinnert sich Klausmann. „Die Ärzte konnten nichts Auffälliges feststellen und ich dachte ,Naja, vielleicht ist das so, wenn man alt wird.‘ Als der Schwindel immer schlimmer wurde, zeigte ein Langzeit-EKG, dass mein Herz ab und zu für vier bis fünf Sekunden aussetzte. Ein paar Monate später waren es bis zu acht Sekunden. Mein Arzt sagte mir damals: ,So können wir dich nicht mehr mit gutem Gewissen in den Wald schicken.‘“

Die Ärzte hätten nie gedacht, dass man mit einem Schrittmacher so leistungsfähig sein kann.“

Bei Marcus Klausmann war ein Sinusknotensyndrom diagnostiziert worden, „ein elektrisches Problem im Herzen“, wie der Sportler nüchtern sagt. Der Sinusknoten ist als Taktgeber für die Herzfrequenz zuständig, indem er elektrische Impulse abgibt, die das Herz zum Schlagen anregen. Beim Sinusknotensyndrom kommen die Impulse seltener und können sogar aussetzen.

Sportliche Höchstleistung trotz Herzschrittmacher

War seine Sportlerkarriere damit beendet? Klausmann schüttelt den Kopf: „,Probier’ es aus‘, beruhigte mich damals mein Kardiologe, ,mit einem Herzschrittmacher bist du jedenfalls erstmal auf der sicheren Seite.‘“

„Am Tag vor meinem 35. Geburtstag habe ich meinen ersten Schrittmacher bekommen und nach einer Verletzungspause bald wieder trainiert. Ein dreiviertel Jahr später bin ich wieder Deutscher Meister geworden. Man merkt natürlich schon, dass jetzt jemand anders das Regime übernimmt und dass nicht mehr alles so rund läuft. Man muss da schon sehr stark an sich arbeiten, um wieder fit zu werden.“

Normalerweise reagiert die Herzfrequenz auf Belastungsänderungen und ist außerdem stark von äußeren Einflüssen wie Stress, Temperatur und Gesundheitszustand abhängig. Der Schrittmachertakt ist dagegen nicht so flexibel. Klausmann musste sein Training anpassen.

Feintuning

„Ich glaube die Ärzte und auch der Gerätehersteller haben nicht gedacht, dass man trotz Herzschrittmacher so leistungsfähig sein kann. Es ist ja auch sehr ungewöhnlich, dass ein Leistungssportler mit Herzschrittmacher weitertrainiert. Aber ich wollte es versuchen. Ich hatte einen engen Kontakt zu den Rennärzten und habe schon immer bei allem interessiert nachgefragt. Also habe ich mich informiert.

„Was darf ich noch machen?“

Mein erstes Gerät arbeitete mit einem klassischen Schüttelsensor (ein frequenzadaptierter Schrittmacher), aber das hat speziell mit dem Radfahren nicht harmoniert. Jetzt habe ich einen Schrittmacher mit Atemminutenvolumen-Sensor. Das heißt, die Impulsfrequenz passt sich dem metabolischen Bedarf unter körperlicher Belastung an. Zum Glück hatte ich einen sehr kooperativen Kardiologen. Dr. Gorsen in der Schrittmacherambulanz in Offenburg war bereit, sich in das Thema einzufuchsen und hat mit mir als Patient zusammen viel gelernt, was aus meinem Gerät herauszuholen ist. Er hat vieles ausprobiert, um die für mich besten Geräteeinstellungen zu finden.“

  • Feintuning

    Klausmann hat die Diagnose Sinusknotensyndrom erstaunlich gut weggesteckt. Der Profisportler sieht sein Therapiegerät pragmatisch. Hier hilft ihm seine Arbeit in der eigenen Tuningwerkstatt. Aus Erfahrung weiß er, dass er mit einer präzisen Einstellung des Fahrwerks das Beste für den Downhillsportler herausholen kann. Genauso sorgfältig beobachtet er die Funktion seines Herzschrittmachers und arbeitet mit seinem Kardiologen an der optimalen Einstellung. Der ungebrochene sportliche Erfolg gibt ihm recht.

Pragmatisch und präzise

„Im Prinzip mache ich mit meinen hochspezialisierten Fahrrädern nichts anderes,“ erklärt Klausmann. „Wenn ich einen Parameter optimiere, geht vielleicht ein anderer stattdessen runter. Ich muss jedes Fahrrad je nach Fahrer und Rennstrecke extrem fein tunen. Eine super-sorgfältige Einstellung macht am Ende manchmal den Unterschied, ob ich um eine hundertstel Sekunde gewinne oder nur ein guter Sportler bin.“

Besondere Anforderungen für junge Sportler

Schrittmacherpatienten sind durchschnittlich 75 Jahre alt, wenn sie ihren ersten Herzschrittmacher bekommen. Aus diesem Grund sind diese Geräte an die Lebensumstände dieser Altersgruppe angepasst. Nur 1 % der Schrittmacherträger sind jünger als 40. Daher sind die medizinischen Erfahrungen in dieser Altersklasse begrenzt.

„Man darf sich nicht als Gefangener des Schrittmachers sehen.“

Wie sieht es zum Beispiel mit Sport aus? Aber welche körperlichen Leistungen sind mit einem Therapiegerät möglich, was muss man hinnehmen und was kann man durch Einstellungen oder eine geschickte Gerätewahl verbessern? Bei Schrittmacherträgern, die keine strukturellen Herzschäden haben und beschwerdefrei Sport treiben, sind auch hohe Belastungsintensitäten vertretbar, so die aktuelle Auskunft der Mediziner.

Als Betroffener kennt Klausmann die Probleme, die ein Schrittmacher für jüngere Patienten bedeutet: „Unter den Schrittmacherpatienten sind heute mehr junge Leute, aktive Menschen, Sportler“, weiß er, „und da stelle ich fest, gewisse Punkte könnten besser sein, mit den Standardeinstellungen kommt man nicht weit, um die Lebensqualität dieser Zielgruppe zu verbessern. Vielleicht müsste man mal eine Wunschliste zusammenstellen. Es wäre toll, wenn es einen speziellen Sportschrittmacher gäbe.

Ein austrainierter Sportler wird beispielsweise von einem normalen Gerät aufgrund seiner tiefen Atmung auf 55 Pulsschläge pro Minute runtergefahren, da das Gerät fälschlicherweise annimmt, dass er sich gerade ausruht. „Das ist doof, mit 55 Schlägen kann man keine Höchstleistung erbringen, dann ist man matt“, kommentiert Klausmann. „Ein gutes Gerät sollte auch den Tagesrhythmus beachten. Was nützt mir eine Dauereinstellung, die mich zwar tags fit macht, aber dafür nachts wachhält?“

Immer wieder nachfragen!

Klausmanns spezielle Situation ist sehr ungewöhnlich, aber auch für normale Schrittmacherpatienten hat einen Tipp parat: „Ich würde jedem Patienten raten, immer wieder bei den Ärzten nachzuhaken, wenn sie das Gefühl haben, das mit dem Gerät was nicht stimmt oder dass man es besser an die individuellen Anforderungen ihres Lebensstils anpassen könnte.“ Seine Erfahrung zeigt, dass es sich lohnt, aufmerksam zu bleiben.

„Ich wüsste nicht, ob ich ganz ohne Sport leben könnte.“

Im Sommer 2016 zwang ihn ein wiederholtes Kammerflimmern in die Klinik. Eine Ablation räumte den Impulsherd aus und zu dem Drei-Kammer-Schrittmacher mit Atemminutenvolumen-Sensor gesellte sich ein Defi.

Jetzt, mit vierzig hat er sich nach einer herausragenden Karriere auf Anraten der Ärzte aus dem aktiven Wettkampfsport zurückgezogen. „Mit vierzig sollte das ja erlaubt sein“, lächelt er. Trotzdem ist der passionierte Sportler fast täglich auf der Piste und trainiert die nächste Generation von Downhill-Bikern. A bissel was geht immer.