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Rote Blutkörperchen – eine Vorstufe davon ist ein Biomarker für COVID-19. © Gerd Altmann / pixabay

Rote Blutkörperchen – eine Vorstufe davon ist ein Biomarker für COVID-19. © Gerd Altmann / pixabay

COVID-19: Biomarker im Blut

Warum verlaufen viele COVID-19-Erkrankungen relativ glimpflich, andere hingegen führen zu schweren Beeinträchtigungen oder gar zum Tod des Betroffenen? Vorerkrankungen oder eine Schwächung der Widerstandskraft aus Altersgründen sind erwiesenermaßen Risikofaktoren. Aber warum? Und lassen sich diese Fälle so zeitig erkennen, dass man durch frühzeitiges Gegensteuern den Verlauf mildern kann? Ein neu entdeckter Biomarker könnte der Schlüssel sein.

  • Aktueller Fachbegriff: Biomarker

    Alle Vorgänge im Körper haben Auswirkungen – auf die Blutzusammensetzung, das Verkommen bestimmter Zellen oder andere Parameter. Bei Krankheiten können sich dabei markante Werte ergeben, die bei der Diagnose helfen. Ob jemand für bestimmte Erkrankungen oder Probleme anfällig ist, kann in manchen Fällen ebenfalls an solchen Biomarkern abgelesen werden. Umgekehrt können Biomarker auch anzeigen, dass keine krankhafte Veränderung vorliegt.

  • Schwere Verläufe bei COVID-19

    Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV2 nehmen sehr unterschiedliche klinische Verläufe. Während viele mild oder sogar symptomlos verlaufen, können sie insbesondere bei älteren Menschen auch lebensbedrohlich werden. In diesen schweren Formen, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen, können neben einer Lungenentzündung auch weitere Organe wie das Herz oder die Niere mitbetroffen sein. Hierbei spielt eine fehlgeleitete Entzündungsreaktion eine wichtige Rolle. Darüber hinaus deuten immer mehr Befunde darauf hin, dass Schäden an kleinen Blutgefäßen und eine zu starke Blutgerinnung entscheidende Faktoren für schwere Verläufe sind. So sind Blutgerinnsel in der Lunge eine der häufigsten direkten Todesursachen bei COVID-19.

Ein Forschungsteam mit Beteiligung des Exzellenzclusters PMI hat bestimmte Zelltypen im Blut identifiziert, die auf schwere Krankheitsverläufe bei COVID-19 hindeuten.

Seltene Zellen im Blut

Bei schweren Verläufen einer COVID-19-Erkrankung spielen nicht nur die üblicherweise als Immunzellen bezeichneten Zelltypen eine Rolle. Insbesondere unreife Vorläuferzellen im Blut, die normalerweise nur im Knochenmark vorkommen und die dort erst durch Reifung zu Blutzellen werden, weisen auf einen besonders schweren Verlauf der Erkrankung hin und könnten zu vielen der klinischen Komplikationen bei COVID-19 beitragen, wie ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) zeigen konnte.

Dafür untersuchte das Team Blutproben von Patientinnen und Patienten, die wegen einer COVID-19-Erkrankung stationär behandelt wurden. Bei einer Gruppe von 14 Erkrankten wurden die im Blut vorkommenden Zellen in einer Zeitserie, also zu verschiedenen Zeitpunkten während der Erkrankung, analysiert. Als Vergleichsgröße dienten Blutproben gesunder Personen. Zum Einsatz kam dabei die sogenannte Einzelzellgenomik, bei der Hunderttausende Zellen durch Sequenzierung parallel analysiert wurden und damit auch seltenere Zelltypen identifiziert werden konnten.

Signaturen von zwei unreifen Zelltypen sind demnach für die COVID-19-Erkrankung besonders charakteristisch: von Vorläuferzellen von Blutplättchen, sogenannten Megakaryozyten, und von unreifen roten Blutkörperchen. „Das ist vor allem überraschend, weil diese Vorläuferzellen sich normalerweise nicht im Blut, sondern im Knochenmark befinden“, erklärt Dr. Florian Tran, Mitglied des Forscherteams. „Wir kennen solche Ausschwemmungen von Vorläuferzellen ins Blut von schwerkranken Patientinnen und Patienten, etwa bei einer bakteriellen Sepsis (Blutvergiftung). Für COVID-19 ist dies bisher so nicht beschrieben worden“, so Tran weiter.

Mögliche Erklärung der Gerinnungsprobleme

Besondere Einblicke bekamen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch eine Gruppe von 39 COVID-19-Patientinnen und -Patienten, die in Nijmegen auf der Intensivstation behandelt worden waren, also besonders schwere Verläufe hatten. Auffällig war hier, dass bei den Personen, die an der Erkrankung verstarben, während des Krankheitsverlaufs die Signatur der Megakaryozyten und der Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen deutlich stärker ausfiel, als bei den Personen, die die Intensivstation später wieder verlassen konnten. „Die Megakaryozyten spiegeln ein bekanntes COVID-19-Problem wieder: Blutplättchen sind zuständig für die Blutgerinnung und eine der häufigsten direkten Todesursachen bei COVID-19 sind Gerinnungsprobleme. Die aktivierten Megakaryozyten im Blut bringen möglicherweise Blutplättchen hervor, die leichter aggregieren und damit zu den Gerinnungsproblemen führen“, sagt Rosenstiel. Die Zunahme der Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen deutet auf einen Sauerstoffmangel hin und ist als Notfallreaktion bei schweren Lungenerkrankungen bekannt.