
Bei der Bildung von Metastasen spielt die Blutgerinnung eine Rolle. © StockSnap / Pixabay
Gerinnungshemmer bremsen Hirnmetastasen
Hirnmetastasen sind eine gefürchtete Komplikation fortgeschrittener Krebserkrankungen. Sie sind häufig nicht operativ zu entfernen und sprechen oft nicht langfristig auf Behandlungen an. Es wäre also wünschenswert, wenn eine präventive Behandlung zur Verfügung stünde, die verhindern kann, dass Hirnmetastasen überhaupt erst entstehen. Einen Ansatz dafür haben Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Universitätsklinikum Heidelberg gefunden.
Damit eine Hirnmetastase entstehen kann, müssen Krebszellen zunächst aus feinen Blutgefäßen ins Hirngewebe vordringen. Aus Beobachtungsstudien war bereits bekannt, dass Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, sich günstig auf die Prognose bestimmter Krebserkrankungen auswirken können. Möglicherweise beeinflussen diese Wirkstoffe die Metastasierung.
Ob dies auch für Hirnmetastasen gilt und wenn ja, auf welche Weise hier Blutgerinnung und Metastasierung zusammenhängen, wurde jetzt untersucht. Dazu nutzen die Forscher eine spezielle mikroskopische Technik (in vivo multiphoton laser-scanning microscopy), die ihnen einen tiefen Blick in das Hirngewebe erlaubt und ermöglicht, einzelne Krebszellen zu verfolgen.
Die Mäuse erhielten Melanom- oder Brustkrebszellen in die Blutbahn gespritzt. Einzelne der zirkulierenden Tumorzellen setzten sich daraufhin in den feinen Blutkapillaren des Gehirns fest. Nur, wenn es diesen Zellen nun gelingt, durch die Gefäßwand ins Hirngewebe vorzudringen, können sie zur Hirnmetastase auswachsen. Winker und Kollegen beobachteten, dass sich um die festgesetzten Tumorzellen häufig Blutgerinnsel – wissenschaftlich: Thromben – bildeten. Krebszellen, um die sich kein solches Gerinnsel bildete, schafften es nicht, die Kapillarwand zu durchdringen.
Die Heidelberger Forscher fanden heraus, dass die Tumorzellen offenbar direkt in die komplexe Kaskade der Blutgerinnung eingreifen und so die Entstehung der Thromben aktiv auslösen. Sie fördern die Entstehung des Gerinnungsfaktors Thrombin, der für die Bildung des langfaserigen Proteins Fibrin erforderlich ist, aus dem das Netzwerk des Gerinnsels hauptsächlich besteht.
Die Thrombus-Bildung, so erkannten die Forscher, ist für Tumorzellen die notwendige Voraussetzung, um die Kapillare zu verlassen und damit den entscheidenden ersten Schritt zur Bildung einer Hirnmetastase zu gehen. Ein Wirkstoff, der Thrombin hemmt, müsste also in der Konsequenz die Metastasierung unterdrücken, weil er die Tumorzellen daran hindert, ins Hirngewebe vorzudringen. Und tatsächlich: Mäuse, die den bereits als Medikament zugelassenen Thrombin-Hemmstoff Dabigatran erhielten, entwickelten signifikant weniger Metastasen als unbehandelte Tiere.
Auch die Hemmung eines weiteren Blutgerinnungsfaktors (von Willebrand-Faktor) mit spezifischen Antikörpern reduzierte bei den Mäusen die Bildung von Thromben – und in der Folge auch die Anzahl der entstehenden Hirnmetastasen.
Die Untersuchungen an Mäusen ist ein erster Schritt, um genau zu verstehen, auf welche Weise die Substanz die Besiedlung des Gehirns durch Tumorzellen verhindern kann. Langfristig sollen diese Wirkstoffe dann in klinischen Studien getestet werden. Dazu müssen die Forscher zunächst noch besser verstehen, für welche Krebs-Unterarten dieser Mechanismus besonders wichtig ist.
Die Forscher sind optimistisch, denn Wirkstoffe, die Thrombin hemmen, haben zumindest einen bereits bekannten Vorteil: Sie werden seit längerem schon zur Prävention von Schlaganfällen verordnet und gelten daher als vergleichsweise gut verträglich, auch über lange Zeiträume.