
Orthostatische Dysregulation
Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen oder Ohrensausen beim Aufstehen aus dem Liegen, aus dem Sitzen oder aus der Hocke … Viele Menschen kennen diese meist harmlosen Beschwerden, die bis zu kurzen Ohnmachten und Stürzen führen können.
- Was versteht man unter orthostatischer Dysregulation?
Orthostatische Dysregulation oder orthostatische Hypotonie beschreibt den abrupten Abfall des Blutdrucks bei Veränderungen der Körperlage in die aufrechte Position („Orthostase“ ist die medizinische Bezeichnung für die aufrechte Körperhaltung). Vor allem beim schnellen Aufstehen aus dem Liegen kommt es durch den Blutdruckabfall zu Schwindel oder sogar zu kurzen Ohnmachten.
Definiert wird die orthostatische Hypotonie als Blutdruckabfall innerhalb von 3 Minuten nach dem Wechsel vom Liegen. Im Detail gemeint ist der Abfall
- des systolischen Blutdrucks (oberer Blutdruckwert) um > 20 mmHg oder
- des diastolischen Blutdrucks (unterer Blutdruckwert) um > 10 mmHg
gegenüber den Ausgangswerten im Liegen.
Im Allgemeinen ist die orthostatische Dysregulation selbst nicht gefährlich, sie kann jedoch zu Synkopen mit sturzbedingten Verletzungen oder selten auch zur Minderdurchblutung des Herzens oder des Gehirns mit bleibenden Schädigungen führen. Die orthostatische Dysregulation zählt zu den häufigsten Ursachen eines plötzlichen Bewusstseinsverlusts bei älteren Menschen.
- Ursache
Von der orthostatischen Dysregulation betroffen sind oft Menschen mit ohnehin niedrigem Blutdruck, aber auch Menschen mit starker Krampfaderbildung, Menschen, die mehrere Medikamente einnehmen, Diabetiker, Menschen mit neurologischen oder Herzerkrankungen und generell ältere Menschen.
Bei der orthostatischen Dysregulation kommt es anfallsweise zum Blutdruckabfall. Beim Aufstehen aus dem Sitzen oder Liegen „versackt“, bedingt durch die Schwerkraft, das Blut in den Venen der unteren Körperregionen, vor allem in den Beinen. Normalerweise steuert das vegetative Nervensystem dagegen und veranlasst die Venen, sich zusammenzuziehen. Bei der orthostatischen Hypotonie ist dieser Reflex jedoch unzureichend oder er bleibt aus. Dadurch gelangt zu wenig Blut zum Herzen zurück und der Blutdruck fällt ab.
Durch den Blutdruckabfall kommt es zu einer Minderdurchblutung des Gehirns mit Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit.
- Beschwerden
Vor allem nach einem Wechsel der Körperhaltung oder bei längerem Stehen wird den Betroffenen schwindlig und sie müssen sich schnell wieder hinsetzen oder hinlegen. Manchmal werden die Betroffenen sogar kurz ohnmächtig.
Neben dem Schwindelgefühl treten weitere Beschwerden auf, wie Benommenheit, Schwarzwerden vor den Augen, „weiche Knie“, Schweißausbrüche, Blässe, Herzklopfen und Ohrgeräusche („Rauschen“). Auch Kopfschmerzen und Übelkeit können dazukommen, ebenso gelegentlich Sehstörungen. Manchmal sind Schulter- und Nackenschmerzen das einzige Symptom.
Oft nehmen die Beschwerden bei langem Stehen, nach dem Essen, bei Anstrengung oder bei hohen Umgebungstemperaturen zu.
- Diagnose
Wenn Ihnen öfter beim schnellen Aufstehen schwindlig wird, sollten Sie bald einen Termin bei Ihrem Hausarzt ausmachen. Wenn Sie einen kurzen Bewusstseinsverlust erlebt haben, kontaktieren Sie Ihren Arzt bitte umgehend.
Ihr Arzt wird Sie nach Ihren Beschwerden und der Einnahme von Medikamenten befragen und Sie körperlich untersuchen sowie den Puls und den Blutdruck messen.
Ob eine orthostatische Hypotonie besteht, kann mit dem sogenannten Orthostase- oder Schellong-Test oder mit dem Kipptisch-Test geprüft werden.
- Schellong-Test: Stehversuch
Der Patient liegt für 3 Minuten entspannt, dabei werden in minütlichem Abstand Blutdruck und Puls gemessen. Nach anschließendem abrupten Aufstehen soll der Patient 10 Minuten stehen bleiben, wobei wieder im Minutenabstand Puls- und Blutdruckmessung erfolgen.
Normalerweise treten keine Beschwerden auf, der systolische Blutdruck ändert sich kaum oder sinkt leicht ab, der diastolische Blutdruck steigt leicht an oder fällt leicht. Bei der orthostatischen Dysregulation löst der abrupte Lagewechsel die typischen Beschwerden aus und zumindest ein Blutdruckwert ist deutlich erniedrigt. - Kipptisch-Test
Hat ein Patient schon Ohnmachten erlitten, kann die Kipptisch-Untersuchung durchgeführt werden. Dazu wird der Patient auf einem kippbaren Tisch festgeschnallt und aus der liegenden in die stehende Position gebracht. Bei einer Ohnmacht ist er so vor einem Sturz geschützt. Auch hier werden wie beim Schellong-Test die Pulsrate und die Blutdruckwerte gemessen.
Möglicherweise kommen noch weitere Untersuchungen hinzu, zum Beispiel eine Langzeit-Blutdruckmessung, ein EKG oder ein Langzeit-EKG.
- Schellong-Test: Stehversuch
- Behandlung
Die orthostatische Hypotonie an sich ist keine gefährliche Erkrankung. Tritt sie als Begleiterkrankung z. B. einer schweren neurologischen Erkrankung auf, muss die Grunderkrankung behandelt werden.
Im „Normalfall“ ist der wichtigste Baustein der Behandlung die Selbsthilfe (siehe „Tipps“).
Medikamentöse Behandlung
Wenn die Selbsthilfe-Maßnahmen nicht ausreichend sind, wird die Ärztin/der Arzt Medikamente einsetzen. Es gibt relativ wenige Medikamente zur Behandlung der Hypotonie, darunter Wirkstoffe, die die Spannung der Blutgefäße und den Blutdruck erhöhen, und Wirkstoffe, die das zirkulierende Blutvolumen erhöhen.
- Tipps – Selbsthilfe
Nichtmedikamentöse Behandlung als Selbsthilfe
- Vorsichtiges, langsames Aufstehen; morgens erst auf der Bettkante sitzen bleiben
- Bei heißem Wetter körperliche Belastung meiden
- Im Bett Kopf-/Oberkörperhochlagerung um ca. 20°
- Viel trinken: 2 bis 2,5 l Wasser täglich
- Salzkonsum erhöhen: ca. 9 bis 15 g Salz pro Tag
- Körperliches Training
- Physikalische Maßnahmen, z. B. Wechselduschen
- Keine großen Mahlzeiten essen und kohlenhydratarme Mahlzeiten bevorzugen
- Keine körperliche Anstrengung kurz nach den Mahlzeiten
- Alkohol möglichst meiden
- Ggf. Kompressionsstrümpfe tragen
Messen Sie mehrmals täglich im Liegen, Sitzen und Stehen Ihren Blutdruck und dokumentieren Sie diesen zusammen mit den Symptomen in einem Tagebuch.