
Blutverdünner werden häufig verschrieben. Was gibt es bei der Einnahme zu beachten und welche Unterschiede gibt es? © user20678629 / freepik
„Blutverdünner“ – Was muss ich bei der Einnahme beachten?
Blutplättchen (Thrombozyten) spielen eine wichtige Rolle in unserem Blutkreislauf und sind Teil des Blutgerinnungssystems. Kommt es zu einer Verletzung der Blutgefäße (z. B. aufgrund einer Schnittwunde), werden die Thrombozyten aktiviert, sie verklumpen und führen über die Bildung eines Thrombozyten-Pfropfs schließlich zu einem Verschluss der Wunde.
Findet eine Thrombozyten-Aktivierung jedoch ohne eine Verletzung statt, kann ein Blutgerinnsel (Thrombus) gebildet werden, man spricht von einer Thrombose. Als Folgen können eine Lungenembolie, ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall entstehen. Um das zu verhindern, kommen unterschiedliche Medikamente zum Einsatz. Im folgenden Text erfahren Sie, wie diese Medikamente wirken und worauf Sie bei der Anwendung achten sollten.
- Wie funktioniert das Blutgerinnungssystem?
Die Blutgerinnung läuft in zwei Phasen ab.
Die erste Phase, die sogenannte Blutstillung, beginnt, nachdem die im Blut schwimmenden Thrombozyten aktiviert wurden. Die aktivierten Blutplättchen sammeln sich an der verletzten Stelle und verkleben die Wunde vorläufig. Das Blutgefäß wird verengt und es entsteht ein Thrombozyten-Pfropf.
In der zweiten Phase, der Blutgerinnung, wird die Wunde sicher verschlossen und der Wundheilungsprozess wird eingeleitet. Es werden hierfür unterschiedliche Gerinnungsfaktoren aktiviert, die ein Netz aus Fibrin (Eiweiß) ausbilden. Ist die Wunde nach einiger Zeit verheilt, wird das Blutgerinnsel der Fibrinfasern wieder aufgelöst (Plasminogen). Damit es zur Blutgerinnung kommt, müssen immer beide Phasen vollständig durchlaufen werden.
- Wann werden Blutverdünner eingesetzt?
Normalerweise dient das Blutgerinnungssystem zum Verschluss von Verletzungen an den Blutgefäßen und ist damit überlebenswichtig, da wir sonst schon bei einer kleinen Verletzung verbluten würden. In manchen Fällen kann die Blutgerinnung jedoch auch aktiviert werden, ohne dass eine Verletzung vorliegt. Ursachen hierfür können unter anderem langes Sitzen oder Liegen, eine Atherosklerose, Erkrankungen im Blutgerinnungssystem oder auch ein Vorhofflimmern sein. Deswegen kann es manchmal nötig sein, das Blutgerinnungssystem mit Medikamenten etwas zu „bremsen“, das heißt die Blutgerinnung zu verlangsamen. Blutverdünner sollen das Risiko für Erkrankungen wie Beinvenenthrombosen, Lungenembolien, Schlaganfälle und Herzinfarkte vermindern.
Blutverdünnende Medikamente – Welche gibt es und wie wirken sie?
Um die Blutstillung bzw. Blutgerinnung zu hemmen, stehen aktuell zwei Gruppen an Medikamenten zur Verfügung: die Thrombozytenaggregationshemmer, umgangssprachlich „Plättchenhemmer“ genannt, und die Blutverdünner (Antikoagulanzien). Die Plättchenhemmer greifen in die erste Phase, die Blutstillung, ein. Die Blutverdünner (Antikoagulanzien) wirken in der darauffolgenden Phase der Blutgerinnung.
Thrombozytenaggregationshemmer/Plättchenhemmer
Plättchenhemmer (Thrombozytenaggregationshemmer) sind Medikament, die eine Anlagerung der Blutplättchen an die Gefäßwände verhindern und somit die Bildung eines Blutgerinnsels verhindern.
Innerhalb dieser Gruppe kann man zwischen drei Wirkstoffklassen unterscheiden:
- Acetylsalicylsäure (ASS), auch bekannt unter dem Handelsnamen Aspirin®, ist der bekannteste Vertreter dieser Gruppe. Durch die Hemmung eines Enzyms (Cycloxygenase) wird die Bildung eines Thrombozyten-Pfropfs verhindert.
- Clopidogrel, Prasugrel, Ticlopidin gehören zu den Adenosin-Diphosphat(ADP)-Hemmstoffen. Sie greifen an einer Andockstelle für das Molekül ADP an und verhindern so eine Aktivierung und Verklumpung der Blutplättchen.
- Glykoprotein-IIb/IIIa-Hemmer verhindern, dass sich Brücken zwischen Blutplättchen ausbilden – einer der ersten Schritte bei der Bildung des Thrombozyten-Pfropfs. Hierzu zählt z. B. der Antikörper Abciximab, der intravenöse verabreicht wird.
Antikoagulanzien/Blutverdünner
Blutverdünner greifen in die zweite Phase, die Blutgerinnung, ein. Sie können die Gerinnungsfaktoren über einen direkten (direkte Antikoagulanzien) oder über einen indirekten (indirekte Antikoagulanzien) Weg beeinflussen. So kann eine langsamere Gerinnung des Blutes erreicht werden. Welcher Blutverdünner dabei für Ihre Erkrankung am besten geeignet ist, wird Ihr Arzt oder Ihre Ärztin mit Ihnen besprechen.
Das weitverbreite Marcumar® zählt zu den indirekten Antikoagulanzien. Es enthält den Wirkstoff Phenprocoumon und hemmt die Bildung von Vitamin K (Vitamin-K-Antagonist). Wird weniger Vitamin K gebildet, werden gleichzeitig weniger Gerinnungsfaktoren gebildet und die Blutgerinnung wird verlangsamt
Da das Ansprechen auf diese Medikamente häufig schwankt und so die Wirksamkeit beeinflusst werden kann, ist eine regelmäßige Überwachung der Gerinnungswerte mittels INR-Wert enorm wichtig, um, falls nötig, die Dosis des Medikaments anzupassen.
- Was ist der INR-Wert?
Der INR-Wert (international, normalized ratio) (siehe auch Quick-Wert) wird verwendet, um die Konzentration an Blutgerinnungsfaktoren zu bewerten. Er vergleicht die Gerinnungszeit des Patientenblutes mit der „normalen“ Gerinnungszeit, das heißt mit der Gerinnungszeit einer Person, die keine Blutverdünner einnimmt. Das kann Aufschluss darüber geben, ob zu wenig, genug oder zu viele Gerinnungsfaktoren im Blut des Patienten vorhanden sind. Ein INR von 1,0 entspricht einer normalen Blutgerinnung. Einfach gesagt, je höher der INR-Wert, desto langsamer gerinnt das Blut. Ist der INR zu hoch, besteht ein Blutungsrisiko und der Blutverdünner muss reduziert werden, ist der INR zu gering, muss mehr Blutverdünner eingenommen werden. So eine Dosisanpassung sollten Sie nie ohne ärztliche Anweisung vornehmen.
Zu den direkten Antikoagulanzien zählen die Heparine und die sogenannten Neuen bzw. Direkten Oralen Antikoagulanzien (Fachwort NOAKs bzw. DAOKs). Sie hemmen die Gerinnungsfaktoren auf direktem Weg. Bei diesen Medikamenten ist keine Kontrolle des INR-Wertes erforderlich.
Heparine werden unter die Haut gespritzt (Fachwort Injektion) oder als Infusion verabreicht und werden häufig zur Prophylaxe von Beinvenenthrombosen verwendet. Es gibt verschiedene Arten von Heparinen, die je nach Krankheitsgeschichte verordnet werden können.
Die Neuen oralen Antikoagulanzien können, wie der Name schon sagt, oral, also in Form von Tabletten, eingenommen werden. Zu ihnen gehören die Vertreter Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban.
Ich nehme Blutverdünner ein – Worauf sollte ich achten?
Alle Blutverdünner führen gewollt zu einer verlangsamten Blutgerinnung. Das bedeutet, bei Verletzungen dauert es länger, bis die Blutung gestoppt werden kann. Diese Wirkung kann verstärkt werden, wenn unterschiedliche Blutverdünner miteinander kombiniert werden. Damit im Blut immer die gleiche Menge an erforderlichen blutgerinnenden Faktoren vorhanden ist, ist die Einnahme zum immer selben Zeitpunkt besonders wichtig.
Acetylsalicylsäure sollte immer zur selben Tageszeit, unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit eingenommen werden (Glas Wasser). Je nachdem welche Art von Tabletten eingenommen werden, sollten diese vor, während oder nach dem Essen geschluckt werden. ASS wird auch bei Schmerzen empfohlen. Fragen Sie hierfür gerne bei Ihrem Arzt oder Apotheker nach.
Bei der Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Marcumar®) ist eine regelmäßige Bestimmung des INR-Wertes durch einen Arzt für eine hohe Therapiesicherheit von enormer Bedeutung. Die gleichzeitige Aufnahme von Vitamin-K-haltigen Nahrungsmitteln kann die blutverdünnende Wirkung des Medikaments reduzieren. Auf Vitamin-K-haltige Lebensmittel muss deswegen nicht verzichtet werden, jedoch sollte jede Woche die ungefähr gleiche Menge von Vitamin K durch die Nahrung zugeführt werden, damit die Medikamentendosis gut darauf abgestimmt werden kann.
Der Konsum von Alkohol verstärkt die Wirkung der Vitamin-K-Antagonisten, hingegen kann die gleichzeitige Einnahme von Grapefruitsaft die Wirkung abschwächen. Das sollte beachtet werden. Mehr Informationen erhalten Sie bei Ihrem Arzt oder Apotheker.
Lebensmittel, die Vitamin K enthalten:
- Spinat
- Brokkoli
- Grünkohl
- Fenchel
- Kichererbsen
- Schnittlauch
- Erbsen
Die Therapie mit Neuen oralen Antikoagulanzien muss nicht regelmäßig durch eine Laboruntersuchung kontrolliert werden. Sie eignen sich deshalb besonders für Patienten mit stark schwankenden INR-Werten oder für Patienten, bei denen eine regelmäßige Kontrolle der INR-Werte aus logistischen Gründen schwierig ist. Es ist jedoch wichtig, dass Patienten einen Medikationsausweis besitzen, den sie immer bei sich tragen und jedem Arzt, Zahnarzt, Apotheker etc. vor der Behandlung vorzeigen.
Eine Kontrolle des INR-Wertes ist bei einer Behandlung mit Heparinen nicht erforderlich, allerdings sollte gerade zu Beginn der Behandlung, eine Kontrolle der Blutplättchen im Blut stattfinden.
Alle genannten Medikamente können zu verstärkten Blutungen führen. Mögliche Folgen sind das Auftreten von
- länger anhaltenden und starken Blutungen bei bereits kleinen Verletzungen, zum Beispiel bei der Blutabnahme oder beim Rasieren. Hier empfiehlt es sich, für einige Minuten die Wunde mit einem sauberen Tupfer für einige Minuten kräftig abzudrücken.
- teils sehr großen blauen Flecken, z. B. an den Armen.
- Gehirnblutungen. Diese können vor allem nach Stürzen oder nach dem Anschlagen des Kopfes entstehen. Wenn Sie Blutverdünner erhalten und Sie stürzen oder Ihren Kopf verletzen, sollte Sie unbedingt zeitnah Ihren Arzt oder Ihre Ärztin aufsuchen.
Wenn neben dem Blutverdünner noch andere Medikamente eingenommen werden, können Wechselwirkungen auftreten, das bedeutet, es kann zu einer Wirkverstärkung oder einem Wirkverlust kommen. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin bzw. Ihren Arzt oder lassen Sie sich in der Apotheke beraten, wenn Sie ein neues Medikament verschrieben bekommen haben oder ein nicht verschreibungspflichtiges Präparat einnehmen. Erwähnen Sie hierbei auch regelmäßig eingenommene pflanzliche Mittel (z. B. Johanniskraut) oder Nahrungsergänzungsmittel (z. B. Zink).
Fazit und Ausblick
Plättchen-Hemmer und Blutverdünner sind wichtige Medikamente, die die Bildung gefährlicher Blutgerinnsel verhindern können. Sie werden im Alltag zur Prophylaxe oder Therapie von Blutgerinnseln eingesetzt und helfen so Herzinfarkt, Schlaganfall und Thrombosen zu verhindern. Die regelmäßige Einnahme ist hierbei essenziell, um eine dauerhafte und gut eingestellte Blutgerinnung zu gewährleisten. Auch Kontrollbesuch beim Arzt sollten in gleichen Zeitabständen erfolgen, damit für eine gesunde und langanhaltende Blutgerinnung gesorgt wird.
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