
Der Cholestrinspiegel des Blutes wird im Labor bestimmt. © Zarathustra / fotolia
Statine und andere Fettsenker gegen hohes Cholesterin
Statine senken den Cholesterinspiegel und schützen jedes Jahr tausende Menschen vor Herzinfarkt oder Schlaganfall. Trotzdem sind sie umstritten. Was ist dran?
- Wozu dienen die Blutfette?
Blutfette erfüllen wichtige Aufgaben im Körper. Hier sind die drei bekanntesten Lipide, die wir im Blut antreffen:
- Cholesterin wird in der Leber hergestellt und mit Hilfe der Transporteiweiße LDL und HDL über den Blutkreislauf im Körper verteilt bzw. aus den Geweben zurück zur Leber transportiert. Ein kleiner Teil des Cholesterins wird auch über die Nahrung aufgenommen. Es ist ein wichtiger Baustein der Zellmembranen, wird u. a. für Stoffwechselprozesse im Gehirn und zur Bildung von Vitamin D benötigt.
- Triglyceride verteilen Nahrungsfette als Energielieferanten im Körper.
- Lipoprotein a ähnelt dem LDL-Cholesterin und trägt u. a. zu Wundheilung und Blutgerinnung bei.
- Allzu viel ist ungesund
Eine stark erhöhte Konzentration bestimmter Blutfette wird mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie z. B. Gefäßverkalkung (Atherosklerose) in Verbindung gebracht. Dies erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf-Ereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Durchblutungsstörungen der Beine. Vor allem LDL-Cholesterin und Triglyceride scheinen hier verantwortlich zu sein, während HDL eine Schutzfunktion innehat.
Ausgeprägt erhöhte Werte für Cholesterin bzw. LDL-Cholesterin sind meist genetisch bedingt, das heißt, für erhöhte Cholesterinwerte ist eine angeborene Stoffwechselkrankheit verantwortlich.
Erhöhte Werte für Triglyceride im Blut sind häufig Folge eines ungesunden Lebensstils. Hier können gesunde Ernährung und Bewegung zur Normalisierung der Blutfette beitragen.
Wie viel Cholesterin ist ok?
Ab welcher Blutkonzentration das Cholesterin zu hoch ist und behandelt werden muss, hängt davon ab, wie groß das Risiko des einzelnen Patienten ist, in den nächsten Jahren ein schwerwiegendes Herz-Kreislauf-Ereignis zu erleiden. Zur Orientierung gibt es sogenannte Zielwerte, in Stein gemeißelt sind sie jedoch nicht, wie die anhaltende Diskussion unter Ärzten zeigt.
Der Zielwert für die Konzentration von LDL-Cholesterin beträgt laut Lipid-Liga maximal 160 mg/dl bei gesunden Menschen und verringert sich je nach Herzinfarkt-Risikogruppe bis auf unter 70 mg/dl für stark gefährdete Patienten mit sehr hohem Herz-Kreislauf-Risiko (Empfehlung der Europäischer Kardiologie-Gesellschaft). Ein sehr hohes Risiko besteht, wenn viele Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen und Bluthochdruck zusammenkommen, der Patient Diabetiker ist oder schon eine Atherosklerose oder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegen. Aber auch das Alter spielt eine Rolle in der Risikoeinschätzung (>45 Jahre bei Männern, >55 Jahre bei Frauen) sowie das Vorliegen von frühzeitigen koronaren Herzerkrankungen bei nahen Verwandten.
Zielwerte für LDL-Cholesterin je nach Herzkreislaufrisiko
Zur Vorbeugung bei Patienten ohne Herz-Kreislauf-Erkrankung (Primärprophylaxe):
- Patienten mit 0-1 Risikofaktor – Zielwert LDL-Cholesterin: < 160 mg/dl
- Patienten mit 2 Risikofaktoren – Zielwert LDL-Cholesterin: < 130 mg/dl
- Patienten mit mehr als 2 Risikofaktoren – Zielwert LDL-Cholesterin: < 100 mg/dl
Zur Vorbeugung eines erneuten Herzkreislauf-Ereignisses bei Patienten, die schon erkrankt sind (Sekundärprophylaxe):
- Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko – Zielwert LDL-Cholesterin: < 115 mg/dl
- Patienten mit hohem Risiko – Zielwert LDL-Cholesterin: < 100 mg/dl (bei Patienten mit einem Ausgangswert von 100-200 mg/dl zumindest 50 % Verringerung)
- Patienten mit sehr hohem Risiko (z. B. bei nachgewiesener Atherosklerose) – Zielwert LDL-Cholesterin: < 70 mg/dl (bei Patienten mit einem Ausgangswert von 70-135 mg/dl zumindest 50 % Verringerung)
Mein Arzt nennt ganz andere Zahlen
In manchen Auswertungen erscheinen die Cholesterinwerte nicht in Milligramm pro Deziliter (mg/dl) sondern werden als Millimol pro Liter (mmol/l ) angegeben.
Für Cholesterin gilt:
- 100 mg/dl = 2,586 mmol/l
- 1 mmol/l = 38,67 mg/dl
Beispiele für den maximale LDL-Wert bei Gesunden
- ohne erhöhtes Risiko: 160 mg/dl = 4,14 mmol/l
- mit geringem Risiko: 115 mg/dl = 2,97 mmol/l
- mit hohem Risiko: 100 mg/dl = 2,59 mmol/l
Für Triglyzeride gilt:
- 100 mg/dl = 1,14 mmol/l
- 1 mmol/l = 87,5 mg/dl
Beispiel für den Triglyzeridwert
- Risiko für Diabetes steigt ab 150 mg/l = 1,71 mmol/l
- Welche Medikamente zur Cholesterinsenkung gibt es?
Ein gesunder Lebensstil reicht häufig nicht aus, um den Cholesterinspiegel bei gefährdeten Patienten zu senken. Daher werden oft Fettsenker eingesetzt, allen voran Statine.
Statine sind die Cholesterinsenker mit den umfangreichsten klinischen Daten. Sie hemmen die Bildung von Cholesterin im Körper und sorgen so für einen niedrigeren Cholesterinspiegel.
Der Wirkstoff Ezetimib ist ein Cholesterinsenker, der die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm hemmt und zusammen mit einem Statin verordnet wird.
Antikörper gegen PCSK9 senken den Cholesterinspiegel im Blut, indem sie eine schnellere Aufnahme des LDL-Cholesterins in die Leber ermöglicht. Diese sogenannten PCSK9-Inhibitoren sind momentan die stärksten Cholesterinsenker, die wir kennen.
Auch Ionenaustauscher, die an die cholesterinhaltige Gallensäure binden, werden verwendet. Fibrate verringern die Menge an Triglyceriden im Blut, haben aber auch einen Einfluss auf die Balance von HDL- und LDL-Cholesterin.
Die meist zur Behandlung von krankhaftem Übergewicht eingesetzten Lipasehemmer verringern die Aufnahme von Speisefetten aus dem Verdauungstrakt und führen zu einer Senkung des Cholesterinspiegels im Blut.
Manchmal wird auch eine Kombination aus Medikamenten gegeben.
- Wirken Statine tatsächlich?
Statine wurden in den letzten Jahrzehnten in großem Stil verschrieben. Entsprechend umfangreich sind die Daten aus klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen. In einer Auswertung an der Universität von Oxford wurden 2016 alle verfügbaren Ergebnisse gemäß ihrer Aussagekraft zusammenfassend ausgewertet.
Das Ergebnis: Eine Behandlung mit Statinen verringerte bei gefährdeten Patienten das Risiko, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden, stark. Die Auswertung ergab, dass sich das Risiko insgesamt mit jeder Senkung des LDL-Wertes um 39 mg/dl jedes Jahr um ein Viertel verringert. Der individuelle Nutzen hängt davon ab, wie groß das Risiko für den betreffenden Patienten ist und welche Cholesterinsenkung jeweils erreicht wurde.
Zur Verdeutlichung gaben die Forscher folgende Beispiele: Wenn 10.000 Patienten mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur Sekundärprophylaxe Statine erhalten und so ihren Cholesterinspiegel fünf Jahre lang um 77 mg/dl senken, bleibt etwa 1.000 von ihnen ein schwerwiegendes Herz-Kreislauf-Ereignis erspart. Das ist jeder 10. Patient! Bei der Primärprophylaxe (also Risikopatienten ohne bestehende Erkrankung) profitieren immerhin noch 500 Patienten.
Für diese Aussagen wurden die Daten von etwa 25.000 Patienten ausgewertet.
Was ist mit den viel diskutieren Nebenwirkungen?
Ja, es gibt Nebenwirkungen. Die wichtigsten sind Muskelschmerzen oder -schwäche, neu auftretender Diabetes und hämorrhagische Schlaganfälle. Manche Nebenwirkungen, z. B. Muskelschmerzen, treten häufig auf, sind aber in der Regel harmlos, andere sind selten, aber ernst zu nehmen. Ein Zusammenhang mit gelegentlich vermuteten Nebenwirkungen wie Gedächtnisverlust, Grauem Star, Nieren- oder Leberschäden konnte in der oben genannten Auswertung jedoch nicht gefunden werden.
Der Nutzen der Statine überwiegt das Risiko durch tatsächliche Nebenwirkungen deutlich: In einer Gruppe von 10.000 Patienten, die 5 Jahre lang Statine erhalten, treten statistisch 5 Fälle von Muskelerkrankungen, 50-100 neue Diabetesfälle und 5-10 hämorrhagische Schlaganfälle auf.
Was tun bei Nebenwirkungen?
Erst einmal vorneweg: Die Mehrheit der Patienten, die Statine einnehmen, verspüren keine Nebenwirkungen. Nicht immer sind die Statine für vermeintliche Nebenwirkungen verantwortlich. Die am häufigsten genannten Muskelschmerzen traten in klinischen Studien fast ebenso häufig in der Kontrollgruppe auf, die keine Statine erhielt, nämlich bei etwa jedem fünften Patienten.
Die meisten Patienten fahren gut damit, Nebenwirkungen wie leichte Muskelschmerzen in Kauf zu nehmen. Es ist allerdings sinnvoll, anhand der Blutwerte zu prüfen, ob das Muskelgewebe geschädigt wird. Zum Glück kommt das aber selten vor, es ist also eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Manchmal beeinträchtigen Muskelschmerzen den Patienten auch stark oder es treten andere unakzeptable Nebenwirkungen auf. Dann ist es notwendig, zusammen mit dem Arzt eine andere Lösung zur Kontrolle des Blutcholesterins zu finden. Eventuell genügt es, die Dosis zu senken oder das Präparat durch ein vergleichbares, anderes Produkt zu ersetzen. Manchmal ist es sinnvoll, dass der Arzt nach Behandlungsalternativen für den Betroffenen sucht, beispielsweise einem Wirkstoff, der die Aufnahme statt der Bildung von Cholesterin hemmt.
- Wie kann ich selbst meine Blutfettwerte beeinflussen?
Ihr Lebensstil hat einen großen Einfluss auf Ihre Blutfettwerte. Mit ausreichender Bewegung und einer Ernährung, die wenig Zucker, tierische Fette und Alkohol enthält, kann jeder selbst einen wichtigen Beitrag zur Senkung seiner Blutfette leisten. Auch wer es schafft, etwaiges Übergewicht zu reduzieren und nicht zu rauchen, kann darauf hoffen, ohne oder mit einer geringeren Dosis von fettsenkenden Medikamente auszukommen.
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